Geschichtliches
125 Jahre Eisenbahn



Bevor die erste Eisenbahn nach Meuselwitz fuhr

Als 1856 mit dem Bau der Eisenbahnstrecke Gößnitz - Gera begonnen wurde, kam auch in Meuselwitz der Wunsch nach einer Eisenbahn auf. So bildete sich am 24. Juli 1861 ein Komitee zwecks Schaffung eines Schienenstranges mit Rücksicht auf den immer mehrwachsenden Braunkohlenbergbau und weil Meuselwitz in jeder Beziehung den Namen eines Industrieortes verdiente. Geplant war eine Pferdebahn. Sie sollte am "Fortschritt" beginnen, 18 144 Ellen (ca. 11 km) lang sein und über Heukendorf - Wintersdorf -Gröba durch den Kammerforst führen und zwischen Plottendorf und Breitingen an der Sächsisch-Bayrischen Bahn enden. Der Vertreter der Stadt legte aber dar, daß diese Bahn nur dann rentabel wäre, wenn die Regierung den Preis für die Ländereien festsetzt. Sie führe über Felder mit Kohlenunterirdischen, so daß die Grundbesitzer hohe Preise für die abzutretenden Ländereien fordern und der Transport den Grubenbesitzern zu teuer wäre. Die Landesregierung gab zu bedenken, daß ein Bahnbau dem Kammerforst schaden könnte und zudem noch Feuergefahr bestünde. Außerdem wünschtesie, daß der Punkt, wo die Bahn enden solle, innerhalb des eigenen Landes liegt und schlug die Gegend an der Normannschen Ziegelei bei Haselbach vor.
Im Jahre 1863 hatte sich in Altenburg eine Interessengruppe für einen Bahnbau Altenburg -Zeitz gegründet. Desweiteren wurde das Projekt Breitingen durch eine Eingabe von Lucka gestört, wo sich ein Komitee gebildet hatte, das den Bau einer Bahn von Lucka nach Pegau als lebensnotwendig betrachtete und u. a. ausführte, "wenn unser armes unterliegendes Städtchen sich nicht als ganz beiseite gesetzt betrachten sollte". Auch Wintersdorf meldete sich mit einer vielseitigen Eingabe zu Wort, um zu beweisen, daß nur eine Eisenbahn von Meuselwitz über Schnauderhainichen, Pflichtendorf, Wintersdorf, Gröba, Waltersdorf, Neubraunshain bis Kauerndorf in Betracht kommen könnte. Eine Bahn in dem wasserreichen Tale sei über Kriebitzsch und Rositz viel zu teuer und diese Orte sind welche mit vorwiegender Landwirtschaft, für die eine Bahn nur Nachteile mit sich bringen werde. Wintersdorf mit seinem großen Woll- und Garnhandel, Zigarrenfabriken, Obst-, Getreide-, Holz-, Kamillen- und Pferdehandel muß bei weiterem Fehlen eines Schienenstranges immer mehr zurückgehen und ins Hintertreffen kommen, haben sich doch schon wertvolle Betriebe zurückgezogen.
1865 bildete sich auch in Zeitz ein Komitee, welches sich für eine Bahn Zeitz - Altenburg über Meuselwitz einsetzte. Dafür trat nun auch Meuselwitz ein, das den Plan nach Breitingenfallen ließ. Die Stadt übergab an die Regierung eine Petition mit 84 Unterschriften, zu der eine Kommission abgeordnet wurde. Darüber berichtete Christian Kluge in seinen Lebenserinnerungen: "Nachdem der Landtagsabgeordnete Berger bei den Minister Larisch vorstellig geworden war, wurden wir nach Altenburg geladen. Berger, Adolf Naundorf von Prehlitz als Kreisratsmitglied, Oskar Herbst und ich. Als mich der Minister aufforderte, meine Gründe anzugeben, sagte ich, daß ich als Bergwerksbesitzer allein täglich viele Wagen verladen könnte, die anderen Grubenbesitzer deren mehr denn 100. Da sagte der Herr Minister: `Wenn uns das früher gesagt worden wäre, dann hätten wir Gößnitz nicht gebaut. Sie können aber beruhigt sein, die Bahn nach Meuselwitz wird gebaut!"`
Nun richtete das Meuselwitzer Komitee an den Stadtrat eine Eingabe und bat darum, daß sich die Gemeinde mit 25 000 Thalern an dem Bahnbau beteilige. Es wurde betont, daß es eine produktive Anlage sei, bei der der Wohlstand und die Finanzen des Ortes wachsen würden. Darüber stimmte der Stadtrat am 7. Oktober 1867 ab und dem Antrag wurde zugestimmt. Der Vertreter der Stadt, Vater, bemerkte dazu: "In Meuselwitz haben die Gruben ihren Höhepunkt erreicht und es ist ersichtlich, daß durch die benachbarten Bahnstrecken, die von weit her billiges Feuerungsmaterial liefern können, unsere Braunkohlenwerke reichlich geschmälert werden. Wenn nicht schleunigst Hilfe geschaffen wird, werden diese Betriebe gänzlich verdrängt. Meuselwitz, dessen Erblühen ich während meines dreijährigen Hierseins deutlich wahrnehmen konnte, wird nicht weiter fortschreiten, sondern zurückgehen. Das Fehlen eines Schienenstranges war der Grund, warum einige auswärtige Industrielle, die sich der Kohle wegen hier niederzulassen gedachten, von diesem Vorhaben Abstand nahmen und einige Fabriken damit umgehen, sich nach andern Orten zu wenden."
Nun schickten auch einige Gruben Petitionen an die Regierung, die die Eingaben von allen ihren Arbeitern unterschrieben ließen. Es waren dies die Gruben: Preußengrube, Fortschritt, Carl, Bauer, Kluge und die Rittergutsgrube (Pächter Junghans). Auch setzten sich die Gemeinden Alt- und Neupoderschau sowie Kleinröda für die Bahn ein, die ausführten, daß der Lohn der Grubenarbeiter nur 1/4 Thaler täglich betrage, und daß er bestimmt steigen werde, wenn die Eisenbahn zustande komme.
Am 19. März 1867 erhielt Meuselwitz von der Regierung Bescheid: Soweit nichtfrüher die Möglichkeit der Herstellung einer Bahn über Lucka vorliegen würde, wäre man nicht abgeneigt, der Bahn Altenburg -Zeitz zuzustimmen. Da die Luckaer in Schwierigkeiten waren, war der Weg frei, den Bau von Altenburg nach Zeitz zu beginnen. Nun gründete sich eine Aktiengesellschaft zur Schaffung einer Bahn von Altenburg über Meuselwitz nach Zeitz. Das Gründungskomitee bestand aus folgenden Mitgliedern: Oberbürgermeister Laurentius, Justizrat Große, Bankier Linke aus Altenburg, Fabrikant Herbst jun., Advokat Wagner, Zimmermeister Dorstewitz aus Meuselwitz und Bürgermeister Born, Bankier Baumann, Kaufmann Klingenstein aus Zeitz. Für den Bau war ein Kapital von 1.370.000 Thalern erforderlich, wobei sich der Staat mit 200.000 Thalern und Meuselwitz mit 25 000 Thalern beteiligten.
Nach 5 Jahren Bauzeit war es dann soweit und am 18. Juni 1872 fuhr der erste Zug von Altenburg ab. Der reichlich geschmückte Zug war mit 60 Personen besetzt, u.a. Vertreter der Regierung und hohen Beamten der Sächsischen Staatsbahn und wurde auf den Stationen mit Jubel begrüßt.

Nach einer Veröffentlichung in der Beilage zur Meuselwitzer Zeitung "Die Heimat" Nr. 4/1937 von Heinrich Meyer

Einige Fakten zur Meuselwitzer Eisenbahngeschichte

Nachdem der Jubel über den ersten Zug in Meuselwitz verklungen war, ging man nun zum Alltag über. Es verkehrten jeweils 3 Personenzüge in beiden Richtungen. Nach Altenburg fuhren die Züge 6.35 Uhr, 12.10 Uhr und 18.00 Uhr, nach Zeitz 9.25 Uhr, 14.15 Uhr und 20.25 Uhr. Dererste Dienstvorsteherauf dem Bahnhof Meuselwitz Kretschmar bis 1885. Zu den ersten Beamten und Arbeitern auf dem Bahnhof gehörten die BahnarbeiterTraugott Harnisch und Gustav Herlitz, sowie die Weichenwärter Otto Harnisch, Anton Grunert und Klempner Blüthner. Sprunghaft stieg der Güterverkehr auf dem Bahnhof an, denn bereits während des Baues der Bahnstrecke Altenburg - Zeitz ließen mehrere Gruben Anschlußgleise zu ihren Betrieben errichten. Es zeigte sich bald, daß der Bahnhof zu klein war, und eine neueAnlage mußte geschaffen werden. Da in Meuselwitz ein ungünstiges Steigungsverhältnis vorhanden war und eine Erweiterung erstmal nicht in Erwägung gezogen worden ist, wurde bei Kriebitzsch ein neuer Bahnhof fürdieAbfuhrder Kohle errichtet. Es wurde auch festgestellt, daß zu wenig Wagen für den Kohlentransport vorhanden waren. Man wendete sich an die Staatseisenbahn mit der Bitte, um Wagen mietweise zu überlassen. Dem Wunsch wurde entsprochen und es wurden 1873 3.384 Wagen zur Verfügung gestellt. Im Jahre 1874 wurde die Bahn nach Gaschwitz über Lucka, Groitzsch, Zwenkau eingeweiht, wo die Züge dann bis zum Leipziger Bayrischen Bahnhof verkehrten. 1887 erfolgte die Einweihung der Meuselwitz- Ronneburger Bahn. Hierbei streiteten sich Meuselwitz und Ronneburg über den Verlauf der Bahnstrecke darum, ob Meuselwitz -Ronneburg oder Meuselwitz - Gera wichtiger sei.
Die Meuselwitzer waren für Gera, da die Strecke 8 km kürzer sei und der Transport so billiger wäre, als wenn man über Ronneburg nach Gera fahren müßte.
Dem Streit beider Orte, der 1877 begonnen hatte, setzte die Regierung ein Ende.
Sie beschloß in einer geheimen Sitzung am 17. Dezember 1883 den Bau der Bahn nach Ronneburg, da sie dies als günstiger für das Land ansah. Die Einweihung sollte eigentlich zum Geburtstag von Herzog Ernst I. am 16. September erfolgen, doch ein Dammrutsch bei Zweitsehen verschob sie, und sie fand erst einen Monat später am 16. Oktober statt.
Bereits um 1900 zählte der Meuselwitzer Bahnhof mit zu den größten Bahnhöfen im Güterverkehr der Königlich-Sächsischen Staatseisenbahn, die die Strecken nach Gaschwitz am 1. Januar 1886 und Altenburg - Zeitz am 1. Januar 1896 erwarb. Er nahm nach Zwickau und Dresden die dritte Stelle ein. Auch im Personenverkehr fuhren nun mehrere Züge täglich in Richtung Altenburg, Zeitz, Leipzig (Bayrischer Bahnhof) und Ronneburg. So verkehrten im Winterfahrplan 1897/98 zum Bayrischen Bahnhof in Leipzig täglich 6 Züge und auch so viele kamen von dort an. Nach Ronneburg fuhren 5 Züge täglich hin und zurück.
1902 wurde die Schmalspurbahn von Gera-Pforten nach Wuitz-Mumsdorf in Betrieb genommen. Eine Verbindung gab es hier von Meuselwitz durch die Strecke in Richtung Zeitz und einen Anschluß nach Spora, der unter anderen am dortigen Bahnhof endete.
Bessere Möglichkeiten der Braunkohlenförderung durch den Abbau in Tagebauen, der Anstieg der Brikettherstellung und die daraus resultierende Steigerung des Versands von Kohleprodukten machten eine weitere Erweiterung des Meuselwitzer Bahnhofs nötig. Es wurden neue bauliche Anlagen, wie der Lokschuppen, geschaffen. Die BahnlinieAltenburg-Zeitz wurde 2gleisig ausgebaut. Der Braunkohlen- und Brikettversand stieg von 1.525.000 Tonnen im Jahre 1920 auf über 2 Millionen Tonnen im Jahre 1928 an. Auch die Fahrgastzahlen stiegen an. So wurden im Jahre 1924 210.154 Fahrkarten und im Jahre 1928 316.834 Fahrkarten verkauft. 1928 fuhren ca. 414.600 Personen ab, während ca. 421.000 Personen in Meuselwitz ankamen. Das sind, beide Zahlen zusammengenommen, proTag 2 .283 Fahrgäste, die abfuhren bzw. angekommen sind.
Um die Aufgaben für den Güter- und Personenverkehr zu bewältigen, war viel Personal in Meuselwitz tätig. Das Adreßbuch Meuselwitz - Lucka von 1938 nannte 257 Eisenbahner, die hier ihren Dienst taten. Davon wurden 187 namentlich aufgeführt. Dabei ist es interessant als was und wo sie hier tätig waren. So waren im Bahnbetriebswerk 60 Eisenbahner beschäftigt. Außer der Leitung gab es hier 27 Lokführer, 7 Reserve-Lokführer, 19 Lokheizer und 2 Wagenmeister. In der Güterabfertigung waren 32 Eisenbahner tätig, u.a. gab es hier 6 Ladeschaffner und 6 Güterbodenarbeiter. Es gab auf dem Bahnhof in Meuselwitz an Personal noch 4 Rangiermeister, 6 Rangieraufseher, 5 Stellwerksmeister, 30 Oberweichenwärter, 17 Weichenwärter, 2 Ladeschaffner, 2 Bahnhofsschaffner, 13 Zugführer und 22 Zugschaffner. Desweiteren waren noch 81 Mann bei der Bahnmeisterei beschäftigt.
Nach 1945 wurde auf Grund von Reparationsleistungen das zweite Gleis zwischen Altenburg und Zeitz abgebaut. Bedeutende Veränderungen gab es mit der Stillegung mehrerer Bahnstrecken im Raum Meuselwitz. 1966 wurde der Verkehr auf der Strecke nach Ronneburg eingestellt. Einen Teil der Strecke nutzte die Wismut später zum Sandtransport. 1969 wurde die Schmalspurbahn von Gera-Pforten nach WuitzMumsdorf stillgelegt. Zu Veränderungen kam es auch auf der Meuselwitz - Gaschwitzer Bahn. Hier wurde zuerst die Strecke zwischen Zwenkau und Gaschwitz durch einen Tagebau unterbrochen. Der Personenverkehr wurde hier später über Pegau geführt, wo die Züge in Leipzig-Plagwitz bzw. Leipzig-Leutzsch begannen oder endeten. 1976 erfolgte die Einstellung des Personenverkehrs, da zwischen Lucka und Groitzsch ein neuerTagebau aufgemacht wurde. Der Güterverkehr erfolgte noch bis Lucka und gewann durch den Bau der Gießerei nochmals auf diesen Strecken abschnitt an Bedeutung.

  Verweise zum Thema:
   Geschichte: Die Eisenbahn in Meuselwitz
   Geschichte: Reverenz an eine 125-Jährige

Quellenangaben:
   Text aus: Unsere Heimat Heft 6 (1997), Autor: H-J.Klingner