Geschichtliches
Dampfkesselexplosion auf dem "Otto-Schacht" bei Meuselwitz





Die Bewohner unserer Stadt und der weiteren Umgebung wurden am Abend des 3. Septembers 1904 von einer mächtigen Explosion aufgeschreckt. Gleichzeitig färbte sich der Himmel in östlicher Richtung blutrot. Laut ertönten die Landfeuersignale der hiesigen Freiwilligen Feuerwehr. Was war geschehen?
Auf dem Otto?Schacht der Braunkohlen?Abbaugesellschaft "Friedensgrube" bei Meuselwitz war es gegen 20 Uhr zu einer schweren Dampfkesselexplosion gekommen. Die Feuerwehr hatte mit einer Spritze den Unfallort erreicht, der etwa 1 /4 Stunde von der Stadt entfernt war. Hier bot sich ein Bild des Schreckens und der Verwüstung. Das Kesselhaus, die Brikettfabrik und der hohe Schornstein lagen in Trümmern. Aus dem Maschinenhaus loderten helle Flammen. Ebenfalls lichterloh brannten die Förderanlagen und andere Werksteile. Weitere Feuerwehren waren herbeigeeilt, die sich zunächst darauf beschränkten, aufgestapelte Holzvorräte zu retten, was aber nur teilweise gelang.
In großen Scharen kamen Schaulustige angelaufen, die noch fürzusätzliche Gefahren sorgten, denn die Altenburger Straße war völlig mit Menschen verstopft, durch die sich noch Radfahrer drängten. Sie schauten mit Grausen auf die Zerstörungen. Das Kesselhaus war buchstäblich vom Erdboden weggefegt während zentnerschwere Teile des Kessels, Eisenträger und eine Unmenge von Mauersteinen bis zu 500 Meter weit nach allen Richtungen geschleudert wurden. Vermißt wurde zugleich der 58jährige Maschinenwärter Hempel, der unter den Trümmern liegen mußte. Erst am 11. September berichtete die Zeitung darüber, daß man die Leiche endlich entdeckt hatte. Er lag nicht an der vermuteten Stelle. übler Geruch und das Scharren eines Hundes führten dazu, daß man ihn in der Nähe der Wassermaschine fand. Er war von dem fortgeschleuderten Kessel erdrückt. Während sein Gesicht völlig verbrannt war, blieben die Kleider fast unversehrt. Er, der Frau und mehrere erwachsene Kinder hinterließ, war zuletzt im Kesselhaus beim Kesselwärter Fleischer gewesen und ist von dort zum Maschinenhaus zurückgekehrt.
Bereits um 19 Uhr hatte sich in der Brikettfabrik ein starker Dampfmangel eingestellt. Der Kesselwärter Fleischer war sofort um eine höhere Dampfleistung bemüht, was aber nicht gelang. Untersuchungen hatten ergeben, daß der Zeiger des Druckmanometers stark pendelte. Wiederholt kam es auch zur öffnung des Druckventils. Bei der nachfolgenden Kontrolle konnten aber keine Mängel festgestellt werden. Normal warauch der Wasserstand im Kessel. Nachfragen beim Obersteiger Wernicke blieben ohne Erfolg, da dieser bereits das Werk verlassen hatte. Man zog deshalb die Eßpause vor und legte Teile des Betriebes für eine kurze Zeit still in der Hoffnung, dadurch die Dampfleistungen der Kessel zu stabilisieren.
Kaum war der Pressenmeister Hiller in die Brikettfabrik gegangen, um die Pressen anzuhalten, als eine fürchterliche Explosion ertönte, die ihn umwarf. Glücklicherweise kam er neben dem Fundament der Presse in eine hohle Stelle, die ihn etwas schützte. Dennoch erlitt er an Kopf und Bein schwere Verletzungen. Er konnte sich aber noch selbst befreien. Zusammen mit Fleischer, der innere Verletzungen davon trug, kam er in das Krankenhaus "Bergmannstrost" nach Halle. Die Tochter des Obersteigers Wernicke wurde beim Schließen des Fensterladens von einem Stein in den Rücken getroffen. Sämtliche ärzte der Umgebung und die Mitglieder der Sanitätskolonne waren sehr schnell am Ort der Katastrophe. Auch die Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Berginspektion waren sofort gekommen, um erste Untersuchungen vorzunehmen. Da sich das Unglück in der Spätschicht ereignete, befanden sich zum Glück nur relativ wenig Beschäftigte im Werk. Kurz zuvor war Lohnauszahlung für die etwa 60 Mann Belegschaft. Wie viele Opfer hätte möglicherweise das Unglück in dieser Zeitspanne gefordert.
Eine Zeitzer Maschinenfabrik hatte den explodierten Kessel vom Typ "Cornwall" gebaut. Dieser hatte stets solide funktioniert, auch war die letzte Reinigung von Kesselstein erst vor zwei Tagen erfolgt. Es konnten auch keine überhitzung oder undichte Stellen am Kessel festgestellt werden.
Noch nach Tagen strömten Menschenmassen zum Otto?Schacht, um sich selbst ein Bild von den rein materiellen Schäden zu machen, die man auf etwa 200 000 Mark schätzte, welche aber von der Versicherung abgedeckt waren. Nur noch ein Stumpf war von der einst 28 m hohen Esse zurückgeblieben. Auch waren mehrere Wagen, die auf den Gleisen standen, verbrannt.
In früheren Zeiten hatte es auch schon solche Kesselexplosionen in unserem Gebiet gegeben, doch waren sie nicht so elementar und folgenschwer. Die eigentlichen Ursachen konnten nie genau ermittelt werden.

Hans-Joachim Klingner
  Verweise zum Thema:
   
Quellenangaben:
   Text aus: Unsere Heimat Heft 6 (1997), Autor: H-J.Klingner