Geschichtliches
Die Börse
Quelle: "Unsere Heimat" Heft 2
Wer von den "echten Meuselwitzern" bekommt nicht beim Klang des Namens "Zur Börse" ein
Schmunzeln ins Gesicht. Diese Erfahrung konnte ich besonders bei älteren Menschen unserer
Stadt machen, die ich nach der Geschichte bzw. alten Bildern der ehemaligen Gaststätte
befragte.
Fast jeder hatte über irgendeine Begebenheit, aber vor allem über geselliges Beisammensein in
fröhlicher Runde in diesem traditionsreichen Haus zu erzählen.
Aus einem Bericht des Heimatforschers Heinrich Meyer geht hervor, daß die alte "Börse" seit
dem 17. Jahrhundert nachweisbar im Besitz der Meuselwitzer Zeugmacherfamilie Herbst war,
die"allzeit das Recht zum Brauen und Schenken" besaß. Bereits 1788 hatte der Zeugmacher
Johann Georg Herbst einen Branntweinausschank. Schon damals wurde in der Herbst'schen
Gaststube gern gefeiert und getanzt. In den oberen Stuben arbeiteten Webstühle und im
Erdgeschoß wurde das Garn ausgegeben Im Jahr 1877 kaufte der Glaser Albin Krug das Haus
von Herbst's Witwe und übte bis 1882 hier sein Gewerbe aus. Krug bekam eine eigene
Schank-Konzession und nannte das jetzt richtige Schanklokal im Jahre 1888 "Zur Börse".
Gustav Mühlbach wurde 1896 Eigentümer des Hauses, 1898 ging es an Karl Töpper aus
Zipsendorf und 1899 an die Zwenkauer Brauerei über, die Eduard Sehmisch als Pächter
einsetzte. 1903 kam das Besitztum in die Hande Arno Reuschels. Der damalige Stadtbaumeister
beanstandete die oberen Räume als für einen Gastbetrieb untauglich.
Alexander Jarasch kaufte 1919 die Börse, renovierte das alte Gebaude gründlich und wandelte
es zu einer gern besuchten Gaststätte um. Auf der Marktseite stellte er in der Sommerzeit Tische
zwischen Lorbeerbäumen und Efeukästen auf, die hier zur Einkehr einluden. Im Obergeschoß
befanden sich fünf Fremdenzimmer, in denen man für 2-3 Mark übernachten konnte. In der
Gaststube stand als Prunkstück ein großer Billardtisch, an dem auch Meisterschaften ausgetragen
wurden. Bis 1978 bewirtschaftete Familie Salzmann die Gaststätte noch. Danach stand das
Gebäude völlig leer, dem Verfall preisgegeben In den letzten Jahren bot es wie so viele
vernachlässigte Häuser einen trostlosen Eindruck - und das mitten im Zentrum der Stadt. Die
Iückenhafte Eindeckung des Daches hatte eine völlige Durchweichung mit anschließender
Fäulnis der Lehmdecken sowie aller Holzbalken zur Folge. Eine Besichtigung durch Vertreter der
Stadtverwaltung, des Heimatvereins, von Baufachleuten sowie den künftigen Käufern führte zum
Entschluß, das Gebäude wegen der fortgeschrittenen Bauschäden abzubrechen.
Zu diesem Zeitpunkt wandte sich Familie Komnick an unser erst seit kurzer Zeit bestehendes
"Bauplanungsbüro Wachwitz" und bekundete so auch Vertrauen in heimische Projektierungsbüros.
Gern wurde der nicht ganz einfache Auftrag angenommen. Viele Male landeten Entwürfe im
Papierkorb, bis die richtige Losung gefunden wurde. Es sollten ja auf relativ kleinem Grundstück eine
Fülle von unterschiedlichen Raumfunktionen untergebracht werden.
Im August 1991 begann Familie Komnick mit einigen Helfern den nicht ganz ungefährlichen
Abbruch. So mußten die Nachbargebäude gesichert und die Wände unterfahren werden da nur
teilweise Keller vorhanden waren.
Manchem traditonsbewußten Meuselwitzer wurde wohl beim Anblick des Trümmerhaufens
bewußt, daß damit ein Stück Geschichte verloren ging.
Bereits am 26 September 1991 erfolgte die Grundsteinlegung durch das Meuselwitzer
Baugeschäft Volker Heinke. Der Rohbau des Gebaudes mit Gasbetonmauerwerk und Stahlbeton-
decken ging so zügig voran, daß bereits am 14.12.1991 das Richtfest gefeiert wurde.
Die nun beginnenden Ausbauarbeiten wurden durch ausschließlich heimische Handwerksbetriebe
ausgeführt.
Am 5.6.1992 wurde mit allen am Bau Beteiligten die Fertigstellung des Hauses gefeiert. Freude
und Stolz aber auch die Strapazen der letzten Monate waren in den Gesichtern der Bauherrenfamilie
zu erkennen.
Im Gebäude sind neben der Gaststätte mit ca. 35 Plätzen, ein Vereinszimmer mit ca. 25 Plätzen
sowie eine Kellerbar mit Billardtisch für 15 Personen zu finden
In den oberen Etagen stehen 10 Hotelzimmer mit 18 Betten bereit. Die Zimmer besitzen jeweils
eine Sanitärzelle mit Dusche, Waschbecken und WC.
Die geschmackvolle Einrichtung wird durch Fernsehapparat und Telefon ergänzt.
Insgesamt wurden hier 7 Arbeitsplätze geschaffen.
Ich hoffe und wünsche, daß diese niveauvolle gastronomische Einrichtung in den nächsten
Jahrzehnten allen Gästen immer eine freundliche und gesellige Einkehr bieten wird und daß so
ein gutes Stück Meuselwitzer Tradition weiter lebt.
Heinz Wachwitz