Geschichtliches
David gegen Goliath - Erinnerungen an Wuitz
Vierzig Jahre sind, so glaube ich, ein angemessener Zeitraum, um an ein Ereignis zu
erinnern, welches sich Ende 1953 bis September 1955 erstreckte. In dieser relativ
kurzen Zeit war es möglich, die gut 800jährige Geschichte eines Dorfes dem Aufbau
des sozialistischen Staates zu opfern. Die Rede ist von der Gemeinde Wuitz, welche
3,5 km nordwestlich von Meuselwitz lag, rechterhand der alten Reichsstraße 180
nach Zeitz.
Wuitz wird am 13. April 1147 zum ersten Mal urkundlich erwähnt, und befindet sich
somit in guter Gesellschaft mit Zipsendorf, Falkenhain und allen anderen zum
Ortsverband Meuselwitz gehörenden Gemeinden, welche alle ungefähr um diese
Zeit ihre Ersterwähnung verzeichnen. Bei dieser Urkunde, welche früher im Stiftarchiv
Zeitz lag, sich jetzt aber im Haupt-Staats-Archiv Dresden befindet, handelt es sich
um ein Schreiben von Bischof Udo zu Naumburg an den Domherren zu Zeitz, in dem
er ihm einige Dörfer schenkt. Die Schreibweise des Wza (1147) siehe unten, Wozh,
(1154), Wucz (15 Jh.), Wuecz (16. Jh.) und Wuitzcsch (15f9) zu Wuitz.
Eng verbunden war Wuitz mit der Industrie, welche letztendlich zu dessen Abriss
führte. In den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, den sog. Krimperjahren, stand
der Braunkohlenbergbau in der Gegend um Meuselwitz im Aufstieg. Rund um die
ganze Stadt entstanden Kohlegruben. Diese dehnten sich bald nach Westen in
Richtung Zeitz aus. Aufgrund technologischer Karten stand fest, daß auch in der Flur
Wuitz reichliche Kohlenvorkommen in der Erde ruhten. Dies veranlaßte die
Eisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft Vering & Wächter in Berlin, eine Schmal-
spurbahn von Gera nach Wuitz zu bauen, welche am 1. Nov. 1900 in Betrieb
genommen wurde. Diese Firma enuarb 1899 hier die ersten Kohlefelder und baute
im Jahr 1901 nördlich des Dorfes die Bnketffabrik "Leonhard I", da sich die
Ergebnisse der durchgeführten Tiefbohnrngen als gut erwiesen. Begonnen wurde
der Abbau der Kohle im Tiefbau. Da sich die Ablagerungsverhältnisse der Kohle als
sehr günstig erwiesen, ging man später (1909) zum Tagebaubetrieb über. 1911 kam
hier der erste elektrisch angetriebene Kohlelöffelbagger im gesamten Meuselwitz-
Rositzer Braunkohlenrevier zum Einsatz. 1917 kam es zu einer Zusammenlegung
der "Leonhardwerke" mit der Braunkohlengesellschaft "Vereinsglück". In dieser Zeit
mußte das erste Haus von Wuitz dem Bergbau weichen. Es handelte sich um die
südlich des Bahnhofes gelegene Bahnhofsgaststätte, die sog. "Gipsdiele". Im Herbst
1926 wurde der Abbau im Tagebau der Grube "Leonhard I" eingestellt. Die
erforderliche Kohle für die Briketffabrik der "Leonhard-Werke" wurde aus der
ehemaligen Grube "Fürst Bismarck" herangefahren.
Als man im Jahre 1951 an der selben Stelle mit der Kohleförderung wieder einsetzte
wo man 1926 aufgehört hatte, war das Schicksal des Dorfes Wuitz besiegelt. 55
bebaute Grundstücke waren von der Ortsverlegung betroffen. Die Menschen
bekamen Ersatzgrundstücke oder -wohnungen in Zeitz, Tröglitz, Zipsendorf oder
Meuselwitz angeboten. Sofort im Anschluß an die Umsiedlung der Einwohner begann
man mit dem Abbruch. Ein Löffelbagger rückte heran. Eine die Jahrhunderte
überdauerte Gemeinschaft hatte sich aufgelöst.
Aber auch heute noch kämpfen Ortschaften wie ehedem Wuitz und Sabissa einen
kaum zu gewinnenden Kampf gegen die Braunkohle. Erinnert sei an den in der Nähe
liegenden Ort Heuersdorf. Auch hier soll der Ort wirtschaftlichen Interessen der
Braunkohlenindustrie weichen. Obwohl Widerstand in der Bevölkerung vorhanden
ist, wird es dem Ort nicht anders ergehen als Wuitz.
Lars Kirmse