Geschichtliches
Das Falkenhainer Steinkreuz



Auf dem Vorplatz der Falkenhainer Kirche, angelehnt an die Rückseite des Gefallenendenkmals von Rusendorf aus dem I. Weltkrieg, befindet sich ein sehr altes Steinkreuz. Durch sehr starke Beschädigung hat es die Form eines Pilzes angenommen.
Der ursprüngliche Standort dieses Kreuzes befand sich ungefähr 300 Meter westlich von Falkenhain, dort, wo der ehemalige Langendorfer Weg an der ehemaligen Mumsdorf-Staschwitzer Straße abzweigte.
Bis Ende der 20er Jahre unseres Jahrhunderts war es, tief in der Erde drin, hinter einer vierkantigen Wegsäule stehend, nahezu verborgen und in Vergessenheit geraten. Der Heimatforscher Max Liebig aus Hagenest wurde im Sommer 1929 auf das Kreuz aufmerksam. Nach Freilegung dereinen Schulterdes Kreuzes fotografierte er es erstmals. Einige Jahre kümmerte er sich nicht weiter um den Stein, erst am 30. August 1935 suchte er ihn wieder auf. Er fand das Kreuz unberührt vor, zu dieser Zeit wurden am Mumsdorfer Weg neue Wasserleitungsrohre verlegt. Erst jetzt meldete er den Fund dem damaligen Falkenhainer Bürgermeister Martin Lay. Es wurde vereinbart, den Stein bloßzulegen. Das geschah am 4. September 1935 durch den damaligen Gemeindearbeiter Artur Lindner. Max Liebig vermaß den Stein, er hatte die Form eines Maltheserkreuzes und war aus Sandstein. Wieder wurde es still um das Kreuz.
In der "Zeitzer Heimat" vom 7. Juli 1959 erschien von Werner Schulz aus Tauchlitz der Artikel "Steinkreuze im Zeitzer Land", darin findet auch das Falkenhainer Steinkreuz Erwähnung, gehörte doch Falkenhain bis 1952 zum Landkreis Zeitz. Das Kreuz war in der Zwischenzeit wieder tiefer gesunken, die Kreuzform war verschwunden, der Kopf des Kreuzes war abgebrochen und nicht mehr auffindbar.
Zu Beginn der 60er Jahre wurde das Areal um den Stein vom Braunkohlenbergbau,
dem Tagebau Phönix-Nord, erfaßt. 1969 wurde die ehemalige Windmühle, Falkenhain Nr. 53, außerhalb von Falkenhain am Langendorfer Weg gelegen, abgebrochen. Die letzten Mieter, die Familie Kunze, waren Ende Oktober 1968 ausgezogen.
Als Herr Helmut Kunze im Frühjahr 1969 nochmals seine alte Wohnstätte aufsuchte, stand das alte Kreuz am Wegesrand. Bald darauf setzten Planierarbeiten auf diesem Geländeabschnitt ein, das Kreuz wurde einfach umgeschoben und einplaniert. Es schien für immer verschwunden. Nur durch Zufall wurde es wieder aufgefunden. Einige Meter von seinem ursprünglichen Standort entfernt lag es knapp unter der Erde, infolge einer langen Trockenperiode zeichneten sich die Umrisse des Kreuzes an der Erdoberfläche ab. Der damalige Bürgermeister Helmut Deuerling und der Gemeindearbeiter Arthur Lippold, beide aus Falkenhain, bargen das beschädigte Kreuz, der abgebrochene Fuß des Steines blieb unauffindbar. Mit Zustimmung von Herrn Pastor Dietrich Vogel und den anderen Mitgliedern des Gemeindekirchenrates fand das Steinkreuz auf dem Vorplatz der Falkenhainer Kirche wieder einen würdigen Standort. Das Protokoll der Sitzung des Gemeindekirchenrates der evangelischen Kirchengemeinde Falkenhain vom 19. Mai 1970 weist unter Punkt 3a folgende Eintragung zu diesem Vorgang aus:
"Durch den Herrn Bürgermeister Deuerling aus Falkenhain ist an den GKR die Bitte herangetragen worden, einen alten Gedenkstein aus der Gemarkung Falkenhain in Richtung der alten Windmühle, auf dem Gelände vor der Kirche aufzustellen. Durch den GKR wird dieser Bitte stattgegeben."
Welche Bedeutung hatte dieser alte Gedenkstein-
Eine Inschrift weist er nicht aus. Ein Grenzstein politischer oder kirchlicher Natur, etwa im Sinne des Groitzscher Pfarrers Helbig, der es als Grenzzeichen kirchlicher Hoheitsgebiete ansah, kann es nicht gewesen sein, auch nicht ein Wettiner Kreuz, wie ein solches 1528 auf der Luckaer Flur gestanden hat. Sein einstiger Standort, westlich von Falkenhain, schließt diese Deutung vollkommen aus. Falkenhain war ein Grenzdorf des politischen Kreises Zeitz, kirchlich gehörte es zum Bistum ZeitzNaumburg. Der Stein hätte bei diesen Deutungen demnach östlich von Falkenhain stehen müssen.
Mit Sicherheit stellt dieses Kreuz ein mittelalterliches Rechtmal dar, es ist ein sogenanntes Mord- oder Sühnekreuz. Derartige Kreuze wurden einst zur Sühne für einen Mord gesetzt. Der Mörder mußte eigenhändig das Kreuz anfertigen und setzen, es ist ein Charakteristikum für Laienarbeit des Mittelalters. Im Zeitzer Lande gibt es noch mehrere dieser Kreuze. Sie stehen meist abseits an Feldwegen, versteckt an Rainen oder Hecken, teilweise sind sie ein Stück in der Erde versunken. Oft werden merkwürdige Geschichten von ihnen erzählt, Sagen haben sich um die bemoosten Steine gebildet. Sie wurden früher mitunter scheu von den Dorfleuten erzählt und veränderten sich im Laufe der Zeit, doch der alte Kern blieb meist richtig erhalten.
Steinkreuz - Mordkreuz! So hat es auch der Dichter Hermann Löns aufgefaßt:
Es steht ein Kreuz am Wege, ein alter, grauer Stein. Es grub in ihn der Steinmetz wohl Kreuz und Beil hinein.
Keiner ward vergessen, jeder bekam sein Teil: Ein Kreuz bekam der eine, der andere das Beil!
Als Untatsangedenken es dort am Wege steht. So meldet die Bauernkunde, die von dem Steine geht.
Das Falkenhainer Totenregister, welches mit dem Jahre 1616 beginnt, berichtet nichts über einen derartigen Mord. Walter Saal aus Neumark (Geiseltal), der sich als Experte intensiv mit den Steinkreuzen im Zeitzer Land befaßte, ordnete das Falkenhainer Steinkreuz ins 14. Jahrhundert ein. Er fügte aber später einschränkend hinzu, das diese Annahme nicht gesichert ist. Die Fußform des Kreuzes, die mit zeitbestimmend ist, kann ja leider nicht ermittelt werden. Mit Sicherheit kann aber erwähnt werden, der Anlaß zum Setzen des Steinkreuzes lag vor dem Jahre 1616.
Der einstige Standort des Kreuzes lag an einem alten Handelsweg, dem Peter- und PaulsWeg. Dieser Handelsweg nahm seinen Anfang in Naumburg, dem Ort des Peter- und PaulMarktes. Er führte weiter aus Zeitz kommend nach Langendorf, Falkenhain, Schnauderhainichen, Wintersdorf, Lehma, Gerstenberg, Windischleuba, Pöppschen, Bocka und Altmörbitz und hatte hier Anschluß an die Erzgebirgs- oder Reitzenhainer Straße. Eine alte Landkarte aus dem Jahre 1609 belegt diese Straßenführung. Zwischen Schnauderhainichen und Wintersdorf gab es den Flurnamen Diebesgrund. Diebe pflegten dorthin zu gehen, wo etwas zu holen war, ihr bevorzugtes Ziel waren die Handelswege. Es ist also durchaus möglich, daß auf diesem alten Handelsweg, in der Nähe des einstigen Standortes des Kreuzes, ein Mord geschehen ist. überdie ruchloseTatgibt keine ChronikAuskunft, Opfer und übeltäter bleiben so für immer im Dunkel der Geschichte verborgen.
Im Altenburger Land existieren nur noch wenige Mord- oder Sühnekreuze, sie verdienen schon aus diesem Grund besonderen Schutz.

  Verweise zum Thema:
   Ortsteile: Falkenhain

Quellenangaben:
   Text aus: Unsere Heimat Heft 5 (1996), Autor: R.Steinert