Geschichtliches
Ein ausgestorbenes Handwerk - Feilenhauerei



Zu den Handwerken, die in den letzten Jahrzehnten in Meuselwitz nicht mehr ausgeübt werden, gehört auch die Tätigkeit des Feilenhauers. Effektivere mechanische Fertigungsmittel und mechanische Fertigungsverfahren haben die Feile - sei es die Flachfeile, Rundfeile, Dreikantfeile oder Nutenfeile, um nur einige zu nennen - immer mehr vom Markt verdrängt. Dabei spielte gerade auch dieses Handwerk im Meuselwitzer Wirtschaftsraum eine bedeutende Rolle. Am 24. September 1884 hatte Herr Karl GIänzel dieses uralte Handwerk in unserer Stadt eingeführt. Die in den Braunkohlengruben eingerichteten Schlossereien, die 1876 gegründete Maschinenfabrik Heymer& Pilz sowie 1889 die Metallwarenfabrik von Plinius Wirker und 1891 die von Heymer & Klasse, bedurften der Arbeit des Feilenhauers. Der Feilenhauer stellte keine neue Feilen her, dafür gab es in Solingen und Remscheid Spezialfabriken, sondern es wurden gebrauchte, abgenutzte erneuert. So eine Feile war etwa 50 Prozent billiger als eine neue, denn es wurde kein Stück neues Material dazu benötigt. In groben Zügen soll hier auf die wichtigsten Arbeitsschritte eingegangen werden: die stumpf gewordene Feile wurde geglüht, der erste Hieb abgeschmirgelt und neu gehauen, die Feilenfläche mit GIätte bestrichen und im Härteofen hellrot erwärmt, anschließend in Salzwasser abgekühlt. Je älter die Salzlösung war, um so besser für die zu kühlenden Feilen. Teilweise war die Lösung bis zu 40 Jahre alt. Herr Karl GIänzel fand bei dem Klempnermeister Brückner in der Bahnhofstraße (jetzt Glas und Porzellan) eine geeignete Werkstatt. Beide Handwerksmeister arbeiteten im selben Raum. Im Jahr 1893 erwarb Herr Karl GIänzel das Anwesen des Glasers Menecke in der Poderschauer Gasse. Das Haus Nr. 11, von Anfang an eine Werkstätte, in der seit 1800 die Kirmsens am Webstuhl saßen, kam 1892 in den Besitz des Rechtsanwaltes Rothe aus Altenburg, von dem es Herr GIänzel kaufte. Sein Betrieb kam in kurzer Zeit zu hohem Ansehen und er hatte reichlich zu schaffen, daß er auch Lehrlinge und Gesellen halten konnte. Nach dem Tode von Karl GIänzel im Jahre 1902, führte seine Witwe, Frau Auguste geb. Vogel, das Geschäft weiter. Als deren Sohn Wilhelm 1920 aus franz. Kriegsgefangenschaft heimkehrte, übernahm er den Betrieb. Durch Tatkraft und anerkannte Leistungsfähigkeit brachte er den Betrieb auf ein beachtliches Niveau. Eingeführte Neuerungen, wie die Feilenhaumaschine und Schmirgelmaschine, ersetzten die anstrengende Arbeit mit der Hand. Anläßlich des 50. Betriebsjubiläums 1934 zollte der bekannte Heimatforscher Heinrich Meyer mit einem Festartikel in der Meuselwitzer Tageszeitung der Familie GIänzel Lob und Anerkennung. Im April 1946 übernahm Herr Werner GIänzel als letzter den väterlichen Betrieb. Neben gesundheitlichen Problemen führte auch mangelhafte Unterstützung des Handwerkes in damaliger Zeit zur Aufgabe des Betriebes im Juni 1968. Wie schon andere zuvor, hatte damit nach 84jähriger Tätigkeit ein weiteres Handwerk seine Tätigkeit in Meuselwitz beendet. Rudolf Kirmse
  Verweise zum Thema:
   
Quellenangaben:
   Text aus: "Unsere Heimat" Heft 4 (1995)