Geschichtliches
Julius Blüthner - der große Sohn des kleinen Dorfes Falkenhain



Am 11. März 1824 wurde Julius Ferdinand BIüthner als Sohn des Tischlers Johann Christian BIüthner in Falkenhain geboren. Seine Mutter, Justine Wilhelmine BIüthner, geborene Ritter, stammte aus Rostin bei Soldin, Regierungsbezirk Frankfurt/Oder. Er war das 4. Kind (3. Sohn) dieser Familie, nach ihm erblickten noch fünf Brüder das Licht der Welt. Durch Traktat des Königs von Sachsen mit dem König von Preußen in Wien am 18.Mai 1815, wodurch u.a. auch Zeitz abgetreten wurde, war damals Falkenhain ein preußisches Dorf, welches dem Landkreis Zeitz angehörte. In der Falkenhainer Kirche wurde Julius BIüthner am 14. März 1824 von Pfarrer Christian August Wittig (oft auch Wittich geschrieben) getauft. Julius BIüthner besuchte die Schule in Falkenhain, er wurde Ostern 1829 eingeschult. Sein Lehrer hieß Heinrich Curt Gottlob Dietrich. Julius war ein fleißiger Schüler, schon in der Schulakte Ostern 1829 bis Michaelis 1829 ist zu lesen: "Hat im Gesangsbuch und Justs Lesebuch gelesen, ist in der Anfangsgründen der christlichen Religion unterrichtet worden. Zuweilen wurde eine biblische Geschichte vorgetragen, hat die Hauptstücke, einige Liederverse und Sprüche auswendig gelernt." Ein Schriftstück aus der Schulakte vom April 1838 belegt, daß er eine sehr schöne Handschrift hatte. Schon frühzeitig nahm Julius Säge, Hobel und Meißel in die Hand, um dem Vater zu helfen. Am 8. Januar 1839, im Alter von 51 1/2 Jahren verstarb sein Vater sehr früh. Bei dem Tischlermeister Denk setzte er in Zeitz seine Lehre als Möbeltischler fort. Schon sein Gesellenstück, ein prächtiger Nähtisch, erregte Bewunderung. Als er 18 Jahre alt war, fand er Arbeit in der Zeitzer Pianofortefabrik Hölling & Spangenberg. Mit dem knappen Wochenlohn von zwei Talern unterstütze er seine arme Mutter. Außerdem leistete sich der strebsame junge Tischler davon die notwendige Fortbildung, er nahm Klavierunterricht. Sein Arbeitgeber schätzte die Fähigkeit des jungen BIüthners sehr hoch ein, denn dieser befruchtete den Pianofortebau mit neuen Ideen. Sein Militärdienst leistete er ab 1845 als Jäger in Nordhausen. Durch die Revolution 1848 kam der Pianofortebau zum Erliegen, BIüthner betätigte sich in dieser unruhigen Zeit als Klavierstimmer. Als tüchtiger Handwerker fand er aber bald wieder eine gute Arbeitsstelle in Würzburg, hier verweilte er zwei Jahre. Am 7. November 1853 gründete Julius BIüthner in Leiprig, Ecke Plagwitzer Straße/Ahleststraße ein eigenes Geschäft, nachdem er zuvor einige Zeit in der Werkstatt von Alexander Bretschneider gearbeitet hatte. Mit Anfangs drei Arbeitern baute er in der gemieteten Werkstatt seine ersten BIüthner-FIügel. Durch unermüdlichen Fleiß mit klarem Geist sollte dem BIüthner das GIück erblühen. Er erwarb das Grundstück und beschäftigte 1864 schon über 100 Arbeiter. 1867 erhielt BIüthner die silberne Medaille der Weltausstellung in Prins, insgesamt auf 14 Weltausstellungen wurden die BIüthner-FIügel und Pianos mit ersten und höchsten Preisen ausgezeichnet. Er wurde "Königlich Sächsischer Hof Pianofortefabrikant". Julius BIüthner trat auch als Buchautor in Erscheinung, er verfaßte, in Zusammenarbeit mit Heinrich Gretschel, Physiker und Sekretär der Polytechnischen Gesellschaft Leipzig, das "Lehrbuch des Pianofortebaus", welches 1872 von Bernhard Friedrich Voigt, Weimar, herausgegeben wurde. Im Jahre 1893 war die Beschäftigtenzahl in seiner großen Fabrik auf 600 Arbeiter angestiegen. Als der Bahnbrecher im Klavierbau sein 50jähriges Gründerjubiläum feiern konnte, war er Geheimer Kommerzienrat. Aus seiner einstigen Mietwerkstatt war eine große Fabrik entstanden, die ein ganzes Straßenviertel einnahm. An sehr vielen Maschinen bauten 800 Arbeiter über 3000 Musikinstrumente im Jahr, die in alle Erdteile verschicM wurden. Hervorragende Künstler seiner Zeit, wie Franz Liszt, Johannes Brahms, Richard Wagner und Hans von Bülow, spielten auf BIüthner-FIügel. Die weltbekannten BIüthner-FIügel standen am Hofe der deutschen Kaiser Wilhelm I. und Wilhelm II. und des Zaren von Rußland. 18 Königshäuser besaßen BIüthner-FIügel und sogar auch der Papst Leo XIII. Durch das zu Beginn des Jahrhunderts angemeldete "Aliquot"-Patent zeichneten sich BIüthner-FIügel durch einen ihnen arteigenen warmen und romantischen Klang aus. "BIüthner-FIügel können singen", schwärmte später der berühmte Dirigent Wilhelm Furtwängler, er gab damit das denkbar beste Werturteil ab. Und der Schöpfer dieser herrlichen Instrumente kam aus dem kleinen Dorfe Falkenhain. Viele Besitzer von BIüthner-FIügeln, Pianos und Klavieren werden wohl nicht wissen, daß sie ihre Kunst- werke einem ehemaligen Tischler aus Falkenhain verdanken. Zu Ehren seines 80. Geburtstages wurde an seinem Geburtshaus in Falkenhain eine Gedenk- tafel angebracht, die inzwischen erneuert werden mußte. Auf dieser Gedenktafel steht geschrieben: Hier wurde geboren am 11. März 1824 Geh. Kommerzienrat Julius BIüthner, Leipzig Julius BIüthner hat bei seinem Erfolg auch seinen Geburtsort nicht vergessen. Im Jahre 1889 wurde die Falkenhainer Kirche renoviert. Julius BIüthner stellte dazu 500 Taler bereit. Ein Protokoll der Gemeindevertretung Falkenhain vom 7. November 1908 erwähnt die Stiftung von 5000 Mark, die für eine Kleinkinderschule bestimmt war. Am 13. April 1910 endete der erfolgreiche Lebensweg des genialen Julius BIüthner. Auf dem Neuen Johannesfriedhof in Leipzig fand er seine letzte Ruhestätte. In den sechzigerJahren wurde dieser Friedhof geschlossen und in einen Park umgewandelt, das Grabmal verschwand für immer. Der Heimatdichter Bruno Hüfner, ein großer Verehrer von Julius BIüthner, verfaßte folgende Zeilen: Berühmtes Dörfchen Falkenhain, Du hast der Menschheit viel gegeben. Hier trat ein großer Sohn ins Leben, Auf den du stolz kannst immer sein. Gern prägte ich unserer Jugend ein, Auf eigene Kraft zu vertrauen, So konnte ein Blüthner aus Falkenhain Die klangschönen Flügel bauen. Die Nachkommen von Julius BIüthner setzen auch jetzt noch, nun bereits in vierter Generation, sein Werk mit großem Erfolg fort. Das Geburtshaus des genialen Julius BIüthner in Falkenhain, Robert-Ebert-Gasse 4, existiert noch. Das Grundstück befindet sich in Privatbesitz. Das Haus ist seit mehreren Jahren nicht mehr bewohnt. Der bauliche Zustand ist sehr schlecht, der Verfall schreitet ungehindert fort. Es wurde versäumt, dieses Haus unter Denkmalschutz zu stellen. Anläßlich seines 170. Geburtstages fand am 17. März 1994 in der Falkenhainer Kirche eine BIüthner-Ehrung statt. Als Ehrengäste nahmen Herr und Frau BIüthner aus Leipzig an dieser Feier teil. Herr Ingbert BIüthner, ein Nachfahre von Julius BIüthner, zeigte sich sichtlich überrascht, mit einer derartig hohen Teilnehmerzahl hatte er nicht gerechnet. Herr Ingbert BIüthner ist der Geschäftsführer der Julius BIüthner Piano- fortefabrik GmbH Leipzig. Da bereits wieder ein Sohn des Herrn Ingbert BIüthner in der Firma arbeitet, gilt der Fortbestand des Unternehmens auch in der fünften Generation als gesichert.

Quellennachweis beim Autor
Reinhard Steinert
ehrenamtlicher Ortschronist

  Verweise zum Thema:
   Ortsteile: Falkenhain

Quellenangaben:
   Text aus: "Unsere Heimat" Heft 4 (1995)