Fast wäre sie 125 Jahre alt geworden, die Bahnlinie Gaschwitz - Meuselwitz. Und auch die
Strecke Neukieritzsch - Pegau kann auf ein 90jähriges Bestehen zurückblicken. Dieses
Jubiläum ist dem Naturfreunde- und Heimatverein Groitzsch Anlaß zu einer Ausstellung
über die wechselhafte Geschichte dieser Strecken. Nachdem die ersten Bahnlinien gebaut
wurden und der Anschluß an die Eisenbahn einen wirtschaftlichen Aufschwung für die
betreffenden Orte auslöste, wollten alle größeren Gemeinden ihren Eisenbahnanschluß
haben. Seit 1868 gab es Pläne der Thüringischen Eisenbahngesellschaft zum Bau einer
Strecke Leipzig - Zwenkau - Pegau - Zeitz. Auf Betreiben Preußens wurde dann aber die
Strecke am anderen Elsterufer geführt (Eröffnung Leipzig - Zeitz 1873). In Meuselwitz gab
es Bestrebungen für eine Verbindung zwischen Breitingen und Pegau über Meuselwitz.
Gebaut wurde die Linie Altenburg - Meuselwitz - Zeitz (Eröffnung 1872). Das
eingeschlossene Dreieck Leipzig-Altenburg-Zeitz war noch ohne Eisenbahnanbindung.
Besonders Lucka bemühte sich (schon seit 1864) um einen Anschluß. Mehrere Projekte
scheiterten. Schließlich kam es 1869 zur Gründung eines Komitees für eine Eisenbahn
Gaschwitz - Zwenkau - Groitzsch - Lucka - Meuselwitz. 1871 lag die Zustimmung der
sächsischen und der altenburgischen Regierung vor und eine Aktiengesellschaft mit Sitz
Leipzig wurde gegründet. Die Konzession wurde 1872 erteilt und der Bau konnte
beginnen. Am 19. September 1872 erfolgte der 1. Spatenstich zum Bau der Strecke im
künftigen Bahnhof Groitzsch, am 15. 11. 1872 im Bahnhof Lucka. Die Bahn wurde als
Vollbahn von der Baugesellschaft Plessner & Co errichtet. Wegen finanzieller
Schwierigkeiten mit dieser Firma wurden während der Baudurchführung die Verträge
gelöst und die Bahngesellschaft führte die Arbeiten selbst zu Ende. Besonderheiten in der
Baudurchführung gab es nicht. Die ersten Probefahrten auf der Strecke erfolgten am 28. 4.
1874 zwischen Groitzsch und Lucka und am 26. 6. 1874 gelangte der erste von Gaschwitz
abgelassene Bauzug mit der Lokomotive "Zwenkau" nach Zwenkau. Probefahrten auf der
Gesamtstrecke gab es am 19. 7. 1874. Die Fahrt dauerte 60 Minuten. Erst als alle
Bauarbeiten abgeschlossen waren, erfolgte die polizeiliche Abnahme und die Eröffnung
wurde auf den 6. 9. 1874 festgelegt. Ein geschmückter Festzug mit der Lokomotive
"Gaschwitz" fuhr von Gaschwitz nach Meuselwitz. Auf allen Unterwegsbahnhöfen fanden
Feierlichkeiten statt. Am 7. 9. begann der planmäßige Zugbetrieb mit 4 Personenzügen in
beiden Richtungen. Die Betriebsdurchführung übernahm die Königlich-Sächsische
Staatseisenbahn auf Rechnung der Bahngesellschaft. Die Fahrzeuge gehörten der
Bahngesellschaft. Obwohl durch diese Strecke eine kürzere Verbindung nach Leipzig
bestand, entsprach das Verkehrsaufkommen im Personenverkehr nicht den Erwartungen
der Aktionäre. Haupteinnahmequelle war der Güterverkehr, insbesondere die
Kohletransporte nach Leipzig. Die Dividendeausschüttung lag in den ersten Betriebsjahren
teilweise unter 1% und steigerte sich nur langsam. Zur Verringerung der Betriebsausgaben
wurde am 15. 5. 1879 der Sekundärbahnbetrieb eingeführt. Daraufhin stiegen die
Dividenden. Im Jahre 1884 unterbreitete der sächsische Staat der Bahngesellschaft ein
Kaufangebot. Die Aktionäre lehnten ab. Da griff der Staat zu einer ungewöhnlichen
Maßnahme. Er ließ ein Projekt für eine Bahnlinie Meuselwitz-Kieritzsch ausarbeiten und
veröffentlichen. Sofort sanken die Aktienpreise rapide. Nunmehr wollten die Aktionäre die
Bahn abstoßen und boten sie dem Staat zum Kauf an. Die Verstaatlichung erfolgte mit
Wirkung vom 1. 1. 1886. Der Kaufpreis belief sich auf 3,8 Mio Mark. 1884 stellte der
Stadtrat von Zwenkau eine Petition an die Kgl.-Sächsische Staatseisenbahn zur Herstellung
einer Direktverbindung nach Leipzig ohne Umsteigen in Gaschwitz. Erst nach der
Verstaatlichung wurde dieser Wunsch verwirklicht und die Zahl der Personenzüge auf 6 in
jeder Richtung erhöht. In den Folgejahren gab es mehrfach Umbauten und Erweiterungen
der Anlagen auf den Bahnhöfen wegen des gestiegenen Verkehrs. Auch wurden
Privatanschlußgleise zu Fabriken und Kohlegruben errichtet. Im Sommer 1913 fuhren 9
Reisezugpaare auf der Gesamtstrecke ab Leipzig Bayerischer Bahnhof. Zusätzlich
verkehrten an den Wochenenden Ausflugszüge nach Zwenkau. Nach dem
Zusammenschluß der Länderbahnen zur Deutschen Reichsbahn verblieb die Strecke
zunächst bei der Reichsbahndirektion Dresden, wechselte aber 1936 zur Direktion Halle.
Dominierend blieb der Güterverkehr. Beide Weltkriege überstand die Bahn unbeschadet.
Veränderungen kündigten sich erst in den fünfziger Jahren an. Der Braunkohlenbergbau
wurde extensiv erweitert. Die Harth mit dem Streckenabschnitt Gaschwitz - Zwenkau
wurde überbaggert. Doch mußten erst einige Voraussetzungen für die
Streckenunterbrechung geschaffen werden. Die 1909 eröffnete Strecke Neukieritzsch -
Pegau war 1948 als Reparationsleistung teilweise abgebaut worden. 1956 begann der
Wiederaufbau. Gleichzeitig entstand eine neue Verbindungskurve von Pegau-Ost zur
Abzweigstelle Zauschwitz in Richtung Leipzig. Auf einigen Bahnhöfen kam die neueste
Sicherungstechnik zum Einsatz. Mit der Inbetriebnahme beider Strecken am 14. 1. 1957
wurde gleichzeitig der Abschnitt Gaschwitz - Zwenkau gesperrt. Die Reisezüge fuhren jetzt
von Neukieritzsch über Groitzsch nach Zwenkau und von Pegau über Groitzsch nach
Meuselwitz. Dieser Zustand dauerte bis zum 22. 5. 1966. Dann übernahm der werkseigene
Busverkehr des Kombinates Böhlen die Personenbeförderung zwischen Zwenkau und
Groitzsch, der Peronenverkehr auf der Eisenbahn wurde eingestellt. 1975 war der
Braunkohlenabbau im Tagebauneuaufschluß Groitzscher Dreieck soweit vorangeschritten,
daß der Streckenabschnitt Käferhain - Lucka überbaggert wurde. Der Zugbetrieb
zwischen Groitzsch und Lucka wurde eingestellt, die Reststrecke Lucka - Meuselwitz
diente nur noch dem Güterverkehr. In Zwenkau entstand inzwischen eine
Kohleverladeanlage. Eine Anschlußbahn verband die Verladestelle Pulgar der Werkbahn
mit dem Bahnhof Zwenkau. In Käferhain wurde das stillgelegte Streckengleis als
Anschlußbahn des Baggermontageplatzes Groitzscher Dreieck benutzt. Beide
Anschlußbahnen wurden mit dem drastischen Rückgang der Braunkohleförderung nach der
politischen Wende in der DDR überflüssig und alsbald stillgelegt. Damit hatte der Abschnitt
Zwenkau - Groitzsch auch den Güterverkehr verloren. Zum 30. 9. 1998 ist der Betrieb für
dauernd eingestellt. Auch der Streckenabschnitt Lucka - Meuselwitz mit seinen
Anschlußbahnen, inzwischen als Streckenrangierbezirk betrieben, verlor nach der Wende
den Güterverkehr und ist stillgelegt. Von der einstigen Gaschwitz, Meuselwitzer Eisenbahn
ist offiziell nichts mehr geblieben. Die Empfangsgebäude stehen leer oder sind verkauft.
Noch liegen die restlichen Gleisanlagen, aber ein Zug wird nie wieder fahren.
Wer im Besitz von alten Fotos, Ansichtskarten oder anderen Dokumenten, alten
Fahrkarten oder Fahrplänen ist, wird gebeten, diese für eine Dokumentation leihweise zur
Verfügung zu stellen. Auch Erinnerungen an Begebenheiten oder andere Informationen sind
gefragt. Ansprechpartner hierfür ist Volkmar Wunderlich, Kopernikusstraße 32, 04357
Leipzig, Telefon (0341) 6016866
Volkmar Wunderlich, Leipzig