Wissenswertes
Vom "wilden Mann" im Fachwerkhaus



In der Mythologie, darunter versteht man die wissenschaftliche Deutung von Götter-, Helden- oder Dämonensagen, spricht man unter anderem von der überlieferten bildhaften Vorstellung vom Entstehen und der Bedeutung eines religiösen Kults oder auch von irgendwelchen Erscheinungen, die meist Ausdruck eines Weltbildes darstellen. Bekannt ist das Auftauchen von Nixen, Feen , Hexen und anderen Phantasieerscheinungen. Man denke nur an die Walpurgisnacht. Der Sage nach treffen sich die Hexen auf dem Blocksberg. Wer kennt nicht die Gestalt der Hexe, die auf einem Besen zum Brocken fliegt-
Die Vertreibung von bösen Geistern spielt auch in unserem Heimatgebiet bei alt hergebrachten Bräuchen eine gewisse Rolle. Auch von Glücksbringern ist die Rede. Erinnert sei an den Polterabend vor einer Hochzeit. Wir kennen das Osterfeuer und andere Sitten. Mancherorts wird auch das Käuzchen noch als der Totenvogel bezeichnet. Auch die Darstellung des "wilden Mannes" in alten Fachwerkbauten sind überreste eines alten Volksglaubens. Mitunter findet man in der Architektur sehr alter Bauernhäuser im Balkengefüge des Fachwerks eine Anordnung vor, die mit etwas Phantasie eine dämonische Gestalt erkennen lässt.
Zwei Querbalken ziehen sich so nach oben, dass man sie für Arme halten kann, während zwei weitere Balken, die nach unten gespreizt sind, die Beine darstellen. In der Mitte entsteht durch das Auftreten eines horizontalen und senkrechten Balkens eine Figur, die als Kopf und Leib zu deuten ist. Ursprünglich wird durch dieses Holzornament auf den altgermanischen Gott Wodan mit Sohn Donar verwiesen. Donar das Wort bedeutet Donner -war der Gott des Wetters und der Fruchtbarkeit, der bei den Bauern auf große Verehrung und Liebe stieß. Er schützte das Haus vor einer Blitzgefahr. Die "wilden Männer" kündeten nicht nur das drohende Gewitter an, sondern hüteten zugleich das Haus vor bösen Feinden.
Auch im Meuselwitzer Gebiet sind uns Gebäude bekannt, die "wilde Männer" besaßen. Allerdings ist hier die Besonderheit zu vermerken, dass statt des einen, zwei Querbalken durch Arme und Beine hindurchliefen. Im einst ältesten Gebäude der Stadt - in der 1536 erbauten Schnaudermühle -war diese Gestalt unmittelbar über der Eingangstür des Wohnhauses angebracht.
Durch ein vorgesetztes Schutzdach war das aber nicht gleich auszumachen. Leider erfolgte 1988 der totale Abriss der Mühle. Ebenfalls wurde das Heilmannsche Gut, das sich auf dem Gelände des heutigen Mehrzweckgebäudes befand, abgerissen, Auch hier war ein "wilder Mann" im Fachwerk, der sehr deutlich an der Vorderfront angebracht war. Dieses Gut befand sich bereits im Jahr 1600 im Besitz eines Erasmus Decken Die Witwe des Erasmus wurde durch die berüchtigten Hexenprozesse bekannt. Sie entging der Verbrennung auf dem Scheiterhaufen nur dadurch, weil sie bereits unter den Folterqualen der damaligen Henker starb.
Gleich mehrfach wurde der "wilde Mann" an der Giebelseite eines Hauses in Zipsendorf angebracht. Ein Foto zeigt uns diese Balkenordnung am Wohnhaus der ehemaligen Bäckerei von Julius Heymer - später Bernstein - in der Kirchstraße gegenüber der alten Schule.
Sehr deutlich ist noch heute der "wilde Mann" an den Turmecken der uralten Kirche in Spora bei Meuselwitz erkennbar.
Auch in anderen Variationen wird von dieser Gestalt berichtet. So findet man beispielsweise im Erzgebirge wiederholt Abbildungen von ihm und analoge Bezeichnungen von Gaststätten. Ebenfalls in der Literatur wird er beschrieben.
In einem Gedicht des Heimatdichters Ernst Daube heisst es: "Seltsame Bilder schau'n von Fachwerkwänden und von Hausgiebeln auf die neue Zeit / Der Zimm'rer schuf sie einst mit frommen Händen in seines Handwerks schlichter Biederheit / Als Zeichen soll'n sie Ahnengut uns wahren, Glück bringen und beschützen in Gefahren / Wir sehn des "wilden Mann" Gebälke stützen. Er war dereinst des Bauernvolkes Gott / Als Donner sollt' er Haus und Hof beschützen und bieten jedem Bösen Trutz und Spott / die Arme breitend segnen die Gemeinde und drohend schrecken alle tückschen Feinde."
Nach einer älteren gesetzlichen Verfügung durfte bei diesen Gebäuden das Fachwerk nicht verputzt werden. Auch sollte bei einer Putzveränderung dass Holzwerk wieder in Erscheinung treten. Aber hatte man sich überall daran gehalten?
Vielleicht werden die Leser dieses Artikels angeregt, selbst einmal nach weiteren Beispielen des "wilden Mannes" in unserer Region Ausschau zu halten.


Der "wilde Mann" an der Giebelseite des Bernsteinsehen Grundstückes in Zipsendorf

  Verweise zum Thema:
   Startseite Schnaudertal.de

Quellenangaben:
   Text / Bild: Hans-Joachim Klingner (aus OVZ)