Ortsteile der Stadt Meuselwitz
Zipsendorf



Die Geschichte Zipsendorfs


Blick auf Zipsendorf

Wenn heute der Autofahrer aus Zeitz kommend kurz hinter Brossen das Ortsschild Meuselwitz liest, so macht er sich immer weniger Gedanken, daß er zunächst durch die frühere Gemeinde Zipsendorf  hindurchfährt, die 1973 von der Stadt Meuselwitz eingemeindet wurde.
Äußerlich sind die beiden Orte, die einst völlig unterschiedlichen Gebieten angehörten, zusammengewachsen. Zipsendorf, das auch einmal Preußen und dem Anhaltinischen angehörte, ist heute ein Bestandteil des Freistaates Thüringen.
Ein neues großes Einkaufszentrum - die Westpassagen - ein Autohaus und neue moderne Wohnungsbauten an der B180 schließen immer mehr die Baulücke, die einst einmal bestand. Auch die vielen Häuser am Lauffener Ring trugen zum weiteren Anschluß an Meuselwitz bei. Zipsendorf selbst kann durchaus auf eine lange Zeit seines Bestehens zurückblicken, feierte man doch im Jahre 1993 die 825jährige Wiederkehr der Ersterwähnung des Ortes aus dem Jahre 1168. Damals tauchte in einer alten Urkunde der erste Hinweis auf den Ort in Verbindung mit einem Herbo von Cybezlaundorf auf. Bis heute - das ist durchaus nicht ungewöhnlich - kann man kein genaues Gründungsdatum von Zipsendorf, das später auch noch unter anderen Bezeichnungen wie Ziplawendorf, Ciplawendorf und auch Zeipsendorf geführt wurde, nennen. Der erste Teil des Ortsnamens zeugt von slawischer Herkunft.

Alte Postkarte von Zipsendorf - links oben der ehem. Ratskeller (dieses Gebäude steht auch heute noch leer), rechts oben der ehem. Materialwarenladen v. Frierich Schilling, links unten die "Neue Schule" - Sie wurde im 2. Weltkrieg zerstört, rechts unten die Grube Fürst Bismarck - auch diese Brikettfabrik existiert heute nicht mehr.


Bekanntlich waren slawische Stämme vor etwa 1000 Jahren in unser Gebiet eingewandert, die besonders durch die fischreiche Schnauder und den fruchtbaren Boden gute Lebensbedingungen vorfanden. Im alten Ortskern konnte man die typische Bebauung in Form eines Rundlings gut erkennen. In der Nachbarschaft des alten Pröhlschen Gutes ist die alte Anlage noch nachvollziehbar. Lange Zeit hindurch war Zipsendorf ein reines Bauerndorf. Aus einem Stiftungsbrief des Landgrafen Wilhelm aus dem Jahre 1413 geht hervor, daß die Bauern Abgaben an das Altenburger Georgenstift zu entrichten hatten. 


links oben - die evangl. Kirche, rechts oben - Contor und Beamtenhaus der Grube "Fürst Bismarck" (die heutige Förderschule), links unten - die Schule (heutige Regelschule), rechts unten - Conditorei Fr. Starke


Später änderte sich die Struktur des Ortes. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gab es in Zipsendorf eine bemerkenswerte Vielzahl von Handwerkern. Eine Reihe von Bewohnern verdiente ihren Broterwerb als Schmiede, Schneider, Zimmerleute, Bäcker und von anderen Gewerken. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch einen Erlaß. Hier hieß es: „Derweil Zipsendorf außer der Meilen der Residenzstadt Zeitz gelegen, wie Meilensteine bezeuget, ist es nach uraltem Herkommen berechtigt gewesen, ungehindert zu brauen und zu mälzen, Wein und Bier zu schenken, zu schlachten, das Geschlachtete zu verkaufen, zu backen und sonsten zu hantieren, damit die Bewohner aufs beste ihre Nahrung  können suchen." Überhaupt war in früheren Zeiten schon vieles streng geregelt.
So hieß es in einem anderen Erlaß: „Wenn geläutet wird, damit die Gemeinde zusammenkomme und es fehlt ein Gemeindeglied in der Versammlung, wird es gestraft mit 2 gr." Auffällig waren in Zipsendorf auch jene Berufe, die etwas mit der Textilherstellung zu tun hatten wie etwa Wollkämmer, Leinenweber oder Weber. Diese Entwicklung stand im Zusammenhang mit Heinrich von Clausspruch, der 1578 das Meuselwitzer Rittergut erworben hatte und die Wollweberei hier einführte. In Zipsendorf war man besonders mit dem Weben von blauen Leinewandkitteln beschäftigt. Aus verschiedenen alten Aufzeichnungen lassen sich manche interessante Begebenheiten aus Zipsendorf herauslesen. So erfährt man von einer alten Salzstraße, die von Pegau nach Ronneburg verlief. Zipsendorfer Salzhändler spielten beim Verkauf eine Rolle. Wiederholt wurde der Ort von Naturkatastrophen und Viehseuchen heimgesucht. 1720 sollten Hagelkörner vom Himmel herabgefallen sein, die die Größe einer Männerfaust besaßen. Dabei kam es zu großen Zerstörungen. Auch heftige Regenfälle wurden vermeldet, die dazu führten, daß die Schnauder über ihre Ufer trat. Mitunter treten in der Gegenwart ebenfalls Überschwemmungen auf, weil die Schnauder die großen Wassermassen nicht fassen kann. Man denke nur an die starken Regenfälle des Jahres 1992. Auch damals standen ganze Straßenzüge unter Wasser. Viele Zipsendorfer erlebten in ihrer Schulzeit, daß das Hochwasser auf dem Schulhof mitunter bis zu einem Meter hoch stand. Interessant ist auch eine Nachricht vom 8. Oktober 1653. Damals wurde ein gewisser Andreas Penndorf durch das Schwert enthauptet, weil „er sein Weib in besonderen Verhältnissen mit den Knien und Ellenbogen gestoßen hatte". Auch wird immer wieder von großen Feuerbrünsten berichtet.
So brannten beispielsweise1686 alle Anwesen von Hans Schröder nieder. Auch der Schulmeister Balthasar Franke und fünf weitere Familien büßten Haus, Scheune und Ställe durch Brände ein. Besonders groß war die Not in Kriegszeiten. Während des 30jährigen Krieges drang die Pest in das Dorf ein.
Allein 1633 kam es dabei zu 51 Sterbefällen. Das war damals ein Drittel aller Einwohner. Im September 1631zog „kaiserliches Volk" durch Zipsendorf und plünderte den Ort. Im 7jährigen Krieg zogen ganze Armeen durch das  Dorf mit hohen Kontributionsforderungen. Dazu mußten Rekruten gestellt werden, die mitunter desertierten. Auf einem Plakat an der Kirchentür konnte man lesen: „Jedermann hat die Pflicht, Deserteure anzugeben und einzufangen, wer lässig ist, wird an Gut und Leben bestraft."
 Im Krieg gegen Napoleon wurden 1813 bei Zipsendorf Teile einer französischen Infanterieeinheit durch verfolgende Kosaken abgeschnitten und gefangen genommen. Ein Chronist kam später einmal zu der Schlußfolgerung: „Alle kamen und gaben sich als Freunde auf. Waren die Preußen weg, kamen die Österreicher, Franzosen, Russen, Reußen, Tataren, Kosaken, Calmücken, Slawonier, Kroaten, Bergschotten, Engländer, Hanoveraner, Hessen, Ungarn, Kaiserliche, Schweden, Sachsen, Polacken! Ein erbärmliches Kriegselend allewege." Durch die Hungerjahre im 1. Weltkrieg starben allein durch eine Grippeepidemie 60 Menschen. An den Fronten des Krieges kamen viel mehr um, und der 2. Weltkrieg forderte noch mehr Opfer.
Ganz entscheidend wurde Zipsendorf durch den Braunkohleabbau geprägt. 1871 wurde unter Führung des Zeitzer Bankiers Baumann, des Leipziger Fabrikanten Penndorf und verschiedener Gutsbesitzer die Preitzer Braunkohlenaktiengesellschaft gegründet. Es kam zur Erschließung neuer Kohlefelder auch in der Flur Zipsendorf. 1891 wurden die Betriebe „Schäde" und „Bismarck" gegründet, die zeitweise rund 2000 Mann Belegschaft hatten.
Später erwarben die Braunkohlenwerke „Leonhard" in Wuitz und Spora den „Bismarck". Bereits 1911 wurden hier auf 11 Pressen über 100 000 Tonnen Kohle zu Briketts verarbeitet. Der Sitz der Gesellschaft wurde  im Jahre 1912 nach Zipsendorf  verlegt. Die Einwohnerzahl des Ortes hatte sich zur Jahrhundertwende verdreifacht. Zuwanderungen kamen besonders aus den Nachbarkreisen und Oberschlesien.


Kulturhalle
Kulturhalle in Zipsendorf (Postkarte von 1960)


Die Umwandlung des Bauerndorfes zu einem Industrieort machte viele Maßnahmen in baulicher Hinsicht erforderlich. Ganze Wohnviertel, eine neue Schule, die Kulturhalle und das Rathaus mit Sparkasse entstanden. Ebenfalls machte sich der Bau der katholischen Kirche notwendig. Zipsendorf besaß schon Anfang des 15. Jahrhunderts eine Kirche, die durch ihre Größe Schönheit Aufsehen erregt hatte. Da diese aber durch Brandstiftung verloren ging, wurde sie im spätgotischen Stil völlig neu errichtet. Da eine alte Kanzel auch heute noch die Bezeichnung „Lutherkanzel" trägt, wurde immer wieder erzählt, daß der Reformator auf seiner Reise von Zeitz nach Altenburg hier eine Predigt abgehalten halten soll. Bewiesen ist das aber nicht. Das dürfte wohl eine der vielen Legenden sein, die mit der Lutherverehrung entstanden waren. Evangelisch wurde diese Kirche erst nach der Durchsetzung der Reformation in unserem Raum. Das Kircheninnere wurde sehr schön gestaltet. Schon seit längerer Zeit steht die Kirche, die einen prächtigen Hochaltar besitzt, auf der Kreisdenkmalliste.


Evangl. Kirche

Evangelische Kirche in Zipsendorf


Zum Schluß unserer Erinnerungen sollen noch einige Angaben aus der Nachkriegszeit folgen. Der Ort nahm bis 1948 nicht weniger als 1064 Heimatvertriebene auf. So war die Einwohnerzahl auf rund 3800 gestiegen. Von dem im Jahre 1945 zerstörten 23 Wohnhäusern wurden besonders unter tatkräftiger Mitarbeit der Leitung der Leonardwerke 16 Häuser relativ schnell wieder aufgebaut. Neun total ausgebombte Häuser verblieben danach noch der Wiederherstellung.
Große Probleme machte damals auch die Hausbrandversorgung. Erst durch die Errichtung einer Naßpreßfabrikationsanlage konnten Verbesserungen erreicht werden. In enger Verbindung mit der Volkssolidarität betreute man Umsiedler und heimatlose Kriegsgefangene. Im Jahre 1950 war die Einwohnerzahl durch die Eingemeindung von Brossen auf 4290 angestiegen.
Inzwischen sind erneut weitere Jahre vergangen. Durch die Wende wurde die Wirtschaftsstruktur stark verändert. Zunächst wehten schwarze Fahnen über den Dächern der Brikettfabrik. Dann verschwand sie für immer.
Aber auch neues Leben entstand aus den Ruinen. Zu den baulichen Veränderungen wird gewiß auch einmal das geplante Sport- und Freizeitzentrum an der B180 gehören.
 
Quelle: aus dem Heimatkurier der OVZ vom 3. Februar 1997


  Verweise zum Thema:
   Geschichte: Die Zipsendorfer Schule
   Geschichte: Die evangelische Kirche
   Stadtansichten: Die evangelische Kirche
   Stadtansichten: Die katholische Kirche
   Stadtansichten: Das Feuerwehrhaus in Zipsendorf
   Stadtansichten: Das Wohngebiet Lauffener Ring
   Stadtansichten: Die Kulturhalle

Quellenangaben:
    Text und Fotos (4) von: Homepage von U.Hoffmann
    Foto (1): S.Bergholz