Alte Postkarte von Zipsendorf - links oben der ehem. Ratskeller (dieses Gebäude steht auch heute noch leer), rechts oben der ehem. Materialwarenladen v. Frierich Schilling, links unten die "Neue Schule" - Sie wurde im 2. Weltkrieg zerstört, rechts unten die Grube Fürst Bismarck - auch diese Brikettfabrik existiert heute nicht mehr.
Bekanntlich waren slawische Stämme vor etwa 1000 Jahren in unser Gebiet eingewandert, die besonders durch die fischreiche Schnauder und den fruchtbaren Boden gute Lebensbedingungen vorfanden. Im alten Ortskern konnte man die typische Bebauung in Form eines Rundlings gut erkennen. In der Nachbarschaft des alten Pröhlschen Gutes ist die alte Anlage noch nachvollziehbar. Lange Zeit hindurch war Zipsendorf ein reines Bauerndorf. Aus einem Stiftungsbrief des Landgrafen Wilhelm aus dem Jahre 1413 geht hervor, daß die Bauern Abgaben an das Altenburger Georgenstift zu entrichten hatten.
links oben - die evangl. Kirche, rechts oben - Contor und Beamtenhaus der Grube "Fürst Bismarck" (die heutige Förderschule), links unten - die Schule (heutige Regelschule), rechts unten - Conditorei Fr. Starke
Später änderte sich die Struktur des Ortes. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gab es in
Zipsendorf eine bemerkenswerte Vielzahl von Handwerkern. Eine Reihe von Bewohnern
verdiente ihren Broterwerb als Schmiede, Schneider, Zimmerleute, Bäcker und von anderen
Gewerken. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch einen Erlaß. Hier hieß es:
Derweil Zipsendorf außer der Meilen der Residenzstadt Zeitz gelegen, wie
Meilensteine bezeuget, ist es nach uraltem Herkommen berechtigt gewesen, ungehindert zu
brauen und zu mälzen, Wein und Bier zu schenken, zu schlachten, das Geschlachtete zu
verkaufen, zu backen und sonsten zu hantieren, damit die Bewohner aufs beste ihre
Nahrung können suchen." Überhaupt war in früheren Zeiten schon vieles streng
geregelt.
So hieß es in einem anderen Erlaß: Wenn geläutet wird, damit die Gemeinde
zusammenkomme und es fehlt ein Gemeindeglied in der Versammlung, wird es gestraft mit 2
gr." Auffällig waren in Zipsendorf auch jene Berufe, die etwas mit der
Textilherstellung zu tun hatten wie etwa Wollkämmer, Leinenweber oder Weber. Diese
Entwicklung stand im Zusammenhang mit Heinrich von Clausspruch, der 1578 das Meuselwitzer
Rittergut erworben hatte und die Wollweberei hier einführte. In Zipsendorf war man
besonders mit dem Weben von blauen Leinewandkitteln beschäftigt. Aus verschiedenen alten
Aufzeichnungen lassen sich manche interessante Begebenheiten aus Zipsendorf herauslesen.
So erfährt man von einer alten Salzstraße, die von Pegau nach Ronneburg verlief.
Zipsendorfer Salzhändler spielten beim Verkauf eine Rolle. Wiederholt wurde der Ort von
Naturkatastrophen und Viehseuchen heimgesucht. 1720 sollten Hagelkörner vom Himmel
herabgefallen sein, die die Größe einer Männerfaust besaßen. Dabei kam es zu großen
Zerstörungen. Auch heftige Regenfälle wurden vermeldet, die dazu führten, daß die
Schnauder über ihre Ufer trat. Mitunter treten in der Gegenwart ebenfalls
Überschwemmungen auf, weil die Schnauder die großen Wassermassen nicht fassen kann. Man
denke nur an die starken Regenfälle des Jahres 1992. Auch damals standen ganze
Straßenzüge unter Wasser. Viele Zipsendorfer erlebten in ihrer Schulzeit, daß das
Hochwasser auf dem Schulhof mitunter bis zu einem Meter hoch stand. Interessant ist auch
eine Nachricht vom 8. Oktober 1653. Damals wurde ein gewisser Andreas Penndorf durch das
Schwert enthauptet, weil er sein Weib in besonderen Verhältnissen mit den Knien und
Ellenbogen gestoßen hatte". Auch wird immer wieder von großen Feuerbrünsten
berichtet.
So brannten beispielsweise1686 alle Anwesen von Hans Schröder nieder. Auch der
Schulmeister Balthasar Franke und fünf weitere Familien büßten Haus, Scheune und
Ställe durch Brände ein. Besonders groß war die Not in Kriegszeiten. Während des
30jährigen Krieges drang die Pest in das Dorf ein.
Allein 1633 kam es dabei zu 51 Sterbefällen. Das war damals ein Drittel aller Einwohner.
Im September 1631zog kaiserliches Volk" durch Zipsendorf und plünderte den
Ort. Im 7jährigen Krieg zogen ganze Armeen durch das Dorf mit hohen
Kontributionsforderungen. Dazu mußten Rekruten gestellt werden, die mitunter
desertierten. Auf einem Plakat an der Kirchentür konnte man lesen: Jedermann hat
die Pflicht, Deserteure anzugeben und einzufangen, wer lässig ist, wird an Gut und Leben
bestraft."
Im Krieg gegen Napoleon wurden 1813 bei Zipsendorf Teile einer französischen
Infanterieeinheit durch verfolgende Kosaken abgeschnitten und gefangen genommen. Ein
Chronist kam später einmal zu der Schlußfolgerung: Alle kamen und gaben sich als
Freunde auf. Waren die Preußen weg, kamen die Österreicher, Franzosen, Russen, Reußen,
Tataren, Kosaken, Calmücken, Slawonier, Kroaten, Bergschotten, Engländer, Hanoveraner,
Hessen, Ungarn, Kaiserliche, Schweden, Sachsen, Polacken! Ein erbärmliches Kriegselend
allewege." Durch die Hungerjahre im 1. Weltkrieg starben allein durch eine
Grippeepidemie 60 Menschen. An den Fronten des Krieges kamen viel mehr um, und der 2.
Weltkrieg forderte noch mehr Opfer.
Ganz entscheidend wurde Zipsendorf durch den Braunkohleabbau geprägt. 1871 wurde unter
Führung des Zeitzer Bankiers Baumann, des Leipziger Fabrikanten Penndorf und
verschiedener Gutsbesitzer die Preitzer Braunkohlenaktiengesellschaft gegründet. Es kam
zur Erschließung neuer Kohlefelder auch in der Flur Zipsendorf. 1891 wurden die Betriebe
Schäde" und Bismarck" gegründet, die zeitweise rund 2000 Mann
Belegschaft hatten.
Später erwarben die Braunkohlenwerke Leonhard" in Wuitz und Spora den
Bismarck". Bereits 1911 wurden hier auf 11 Pressen über 100 000 Tonnen Kohle
zu Briketts verarbeitet. Der Sitz der Gesellschaft wurde im Jahre 1912 nach
Zipsendorf verlegt. Die Einwohnerzahl des Ortes hatte sich zur Jahrhundertwende
verdreifacht. Zuwanderungen kamen besonders aus den Nachbarkreisen und Oberschlesien.
Kulturhalle in Zipsendorf (Postkarte von 1960)
Die Umwandlung des Bauerndorfes zu einem Industrieort machte viele Maßnahmen in baulicher Hinsicht erforderlich. Ganze Wohnviertel, eine neue Schule, die Kulturhalle und das Rathaus mit Sparkasse entstanden. Ebenfalls machte sich der Bau der katholischen Kirche notwendig. Zipsendorf besaß schon Anfang des 15. Jahrhunderts eine Kirche, die durch ihre Größe Schönheit Aufsehen erregt hatte. Da diese aber durch Brandstiftung verloren ging, wurde sie im spätgotischen Stil völlig neu errichtet. Da eine alte Kanzel auch heute noch die Bezeichnung Lutherkanzel" trägt, wurde immer wieder erzählt, daß der Reformator auf seiner Reise von Zeitz nach Altenburg hier eine Predigt abgehalten halten soll. Bewiesen ist das aber nicht. Das dürfte wohl eine der vielen Legenden sein, die mit der Lutherverehrung entstanden waren. Evangelisch wurde diese Kirche erst nach der Durchsetzung der Reformation in unserem Raum. Das Kircheninnere wurde sehr schön gestaltet. Schon seit längerer Zeit steht die Kirche, die einen prächtigen Hochaltar besitzt, auf der Kreisdenkmalliste.
Evangelische Kirche in Zipsendorf
Zum Schluß unserer Erinnerungen sollen noch einige Angaben aus der Nachkriegszeit
folgen. Der Ort nahm bis 1948 nicht weniger als 1064 Heimatvertriebene auf. So war die
Einwohnerzahl auf rund 3800 gestiegen. Von dem im Jahre 1945 zerstörten 23 Wohnhäusern
wurden besonders unter tatkräftiger Mitarbeit der Leitung der Leonardwerke 16 Häuser
relativ schnell wieder aufgebaut. Neun total ausgebombte Häuser verblieben danach noch
der Wiederherstellung.
Große Probleme machte damals auch die Hausbrandversorgung. Erst durch die Errichtung
einer Naßpreßfabrikationsanlage konnten Verbesserungen erreicht werden. In enger
Verbindung mit der Volkssolidarität betreute man Umsiedler und heimatlose
Kriegsgefangene. Im Jahre 1950 war die Einwohnerzahl durch die Eingemeindung von Brossen
auf 4290 angestiegen.
Inzwischen sind erneut weitere Jahre vergangen. Durch die Wende wurde die
Wirtschaftsstruktur stark verändert. Zunächst wehten schwarze Fahnen über den Dächern
der Brikettfabrik. Dann verschwand sie für immer.
Aber auch neues Leben entstand aus den Ruinen. Zu den baulichen Veränderungen wird gewiß
auch einmal das geplante Sport- und Freizeitzentrum an der B180 gehören.
Quelle: aus dem Heimatkurier der OVZ vom 3. Februar 1997
Verweise zum Thema: Geschichte: Die Zipsendorfer Schule Geschichte: Die evangelische Kirche Stadtansichten: Die evangelische Kirche Stadtansichten: Die katholische Kirche Stadtansichten: Das Feuerwehrhaus in Zipsendorf Stadtansichten: Das Wohngebiet Lauffener Ring Stadtansichten: Die Kulturhalle Quellenangaben: Text und Fotos (4) von: Homepage von U.Hoffmann Foto (1): S.Bergholz |